
- 27. September 2021 von Chef-Sache
- Branchen-News
Der Inhaber des Restaurants bat mich um einen persönlichen Austausch bezüglich einer Weiterbildungsveranstaltung mit seinen Mitarbeitenden. Ich bin etwas zu früh da. Die Servicekraft heisst mich willkommen und offeriert mir einen Kaffee. «Der Chef kommt jeden Moment», eröffnet sie mir mit einem Lächeln. «Ist noch auf dem Begrüssungsrundgang», ergänzt sie. Wenig später sitzt er da, gut gelaunt und präsent.
Corona lassen wir in unserem Small-talk aus. Schliesslich frage ich ihn, wie er mit dem angespannten Arbeitsmarkt umgeht. Wie stark ihn der aktuelle Mangel an Fachkräften beschäftigt. Er lacht, da bin ich bisher verschont geblieben, antwortet er mit seinem wachen Blick. Ich empfinde Stimmung hier am Stammtisch als sehr angenehm und lerne in der folgenden Stunde Daniel etwas näher kennen.
Später gibt er mir die Gelegenheit, die Mitarbeitenden sowie den Betrieb besser kennenzulernen. Mit jedem Kontakt wurde ich in dieser positiven Grundstimmung bestärkt.
Die nachstehend aufgeführten Statements haben mich an einem praktischen Beispiel spüren lassen, was es bedeutet, Wertschätzung im Alltag zu leben:
- «Ich schätze an unserem Vorgesetzten, dass er bei Arbeitsbeginn und Arbeitsende den Kontakt zu jedem einzelnen Mitarbeitenden sucht, uns begrüsst, uns verabschiedet und sich für die Arbeit bedankt.»
- «Er kommuniziert in regelmässigen Abständen mit uns allen, holt die Befindlichkeiten ab und nimmt kritische Punkte an. Manchmal dauert es etwas länger, aber er hält immer, was er verspricht… und wenn er sich um etwas kümmert, geschieht das auch.»
- «Wir erhalten immer mehr Verantwortung, im Augenblick sind wir dabei uns im Team Gedanken zu machen, wie wir unsere Arbeitszeiten optimieren und verbessern können. Wir wollen die Strukturen vor Corona kritisch prüfen.»
- «Auf freiwilliger Basis hat er uns die Möglichkeit geboten, seine finanzielle Situation im Betrieb offenzulegen. Seine Idee ist es, jene die wollen mit einem speziellen Verteilschlüssel als eine Art Kleinunternehmer am Erfolg aber auch Misserfolg teilhaben zu lassen. Am Anfang waren wir überfordert, jetzt sind wir optimistisch, dass wir einen Weg finden.»
- «Das ist zwar nur ein Detail aber trotzdem. Alle Mitarbeitenden von uns, die Kinder unter 10 Jahren haben, erhalten jeweils zu deren Geburtstag ein kleines Geschenk. Sowas habe ich noch nie erlebt. … und zum Geburtstag trinkt er mit den Jubilaren immer ein Glas Champagner (mindestens…)»
- «Ich hoffe die Tradition wie sie vor Corona gelebt wurde, kommt bald wieder. Nach einem erfolgreichen Tag sitzt er nach Feierabend meistens noch mit uns zusammen und fachsimpelt über Gastronomiekonzepte…»
Ich habe den Auftrag für eine Schulung erhalten und gerne angenommen. Mit Menschen, die es verstanden haben, Mitarbeitende mit derselben Achtung, demselben Respekt wie den Gästen zu begegnen, macht Arbeiten Spass!
P.S. Ist bei alledem vielleicht ein Ansatz dahinter versteckt, dem angespannten Arbeitsmarkt zu begegnen?

Werdegang des Autors
Markus Marthaler ehemals Ausbildungsverantwortlicher und Human Resources Leiter der Mövenpick Unternehmungen. Geschäftsführer der Firma Gastrobildung und Vice President HR bei der Steigenberger Gruppe in Frankfurt. Heute berät er in der Rolle des Hofnarren Leistungsträger in unternehmerischen und persönlichen Entwicklungsprozessen. Zudem ist er Mitarbeitender in verschiedenen Kriseninterventionsteams in Blaulichtorganisationen.